Die Unterkieferprotrusionsschiene ist ein Therpiegerät aus der zahnärztlichen Schlafmedizin. Sie wurde erstmals 1984 von Prof. Dr. Meyer-Ewert auf einem europäischen Schlafmedizinkongress in München vorgestellt. Sie wirkt nach dem Prinzip des Esmarchschen Handgriffs, der durch Vorhalten des Unterkiefers den Atemweg bei Bewusstlosen freimacht und aus der Notfallmedizin bekannt ist.
Die Unterkieferprotrusionsschiene besteht heutzutage aus zwei Kunststoffschienen: eine Oberkieferschien und eine Unterkieferschiene. Beide Schienen sind in einer Weise miteinander verbunden oder aufeinander abgestimmt, dass die Position des Unterkiefers zum Oberkiefer konstant bleibt oder nach vorne positioniert ist und der Unterkiefer im Liegen nicht weiter nach hinten, also retral fallen kann.
Dies dient der Therapie des Schnarchens oder auch sogar der leichtgradigen oder mittelgradigen OSA. OSA bedeutet obstruktive Schlafapnoe und beschreibt die Verengung des Atemwegs bei nächtlicher Muskelrelaxation im Rachenbereich, der dann zur Unterversorgung mit Sauerstoff führen kann oder sogar zur Luftnot – Apnoe. Die OSA gehört zu den Schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS). Etwa 60% der 65-70-Jährigen leiden an obstruktiver Schlafapnoe. Und auch bei den 40-60jährigen kommt sie bis zu 20% vor.
Patienten mit einem Schlafapnoesyndrom haben durch den unterbrochenen Schlaf sowie einen Sauerstoffmangel nachts ein erhöhtes Risiko für
- eine arterielle Hypertonie,
- Herzinfarkte,
- Apoplexe oder
- Unfälle durch gesteigerte Tagesmüdigkeit.
- Die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz und die Konzentration an Maschinen oder im Straßenverkehr sinkt.
Oft werden Patienten selbst auf die Problematik aufmerksam, da sie unter stark erhöhter Tagesmüdigkeit leiden. Sie beschreiben das Phänomen, morgens schon nach dem Aufstehen wieder müde zu sein. Oder tagsüber ständig einschlafen zu wollen. Es gibt einen einfachen Fragebogen, mit dem eine erste Einschätzung gegeben werden kann: Die Epworth-Schläfrigkeitsskala. Der Patient bewertet selbst mithilfe von 8 Fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass er tagsüber in verschiedenen Situationen einschläft. Die Gesamtpunktzahl kann von 0-24 reichen. Je mehr Punkte der Patient sich vergibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass er unter einer schlafbezogenen Atemstörung leidet und sollte dringend einen Arzt aufsuchen. Aber auch der Kardiologe kann zu einer schlafmedizinischen Untersuchung raten, oder aufmerksame Hausärzte, Gynäkologen oder andere. Viele unterschiedliche Symptome können auf eine SBAS hinweisen.
Die Schienen behandeln aber auch das primäre Schnarchen, also Schnarchen ohne weitere Atemstörung. Hier ist es meistens der Lebenspartner, der den Patienten zu einer Untersuchung und eventuellen Therapie überredet.
Das Schnarchen entsteht ebenfalls, wenn die Luftströmung durch die Atemwege während des Schlafs behindert ist. Wenn die Luft durch diese verengten oder blockierten Atemwege strömt, entstehen Vibrationen in den Geweben, die das charakteristische Geräusch des Schnarchens verursachen. Es wird geschätzt, dass 30-50% der Erwachsenen regelmäßig schnarchen. Primäres Schnarchen hat vor allem den Effekt, dass der Partner eventuell gestört ist und das Zusammenleben dadurch gestört ist.
Bisher war die häufigste Therapieform für alle Schweregrade der obstruktiven Schl
afapnoe (OSA) die nächtliche kontinuierliche Überdruckatmung (CPAP oder Continuous PAP). Dies ist eine Beatmungsform über eine Atemmaske mit dauerhaftem Luftstrom. Die Kosten sind in Deutschland bisher von den gesetzlichen Krankenkassen als alleinige Therapie übernommen worden. Viele Patienten, die eine CPAP-Therapie verschrieben bekommen haben, kommen mit der Atemmaske nicht zurecht. Mögliche Ursachen sind das Verrutschen der Maske, wiederkehrende Konjunktivitis durch den Luftstrom am Auge, Rhinitis, ausgetrocknete Schleimhäute, Druckstellen im Gesicht und Klaustrophobie. Hier werden Therapiealternativen benötigt.
Die Behandlungsalternative für leicht- bis mittelgradige OSA ist nun die Unterkieferprotrusionsschiene. Sie ist seit 2023 als initiale Therapie bei primärem Schnarchen, Upper Airway resistance syndrom und leicht- und mittelgradiger Schlafapnoe indiziert und von den Kassen übernommen. Bei Unverträglichkeit der CPAP-Therapie ist die Unterkieferprotrusionsschiene auch bei hohem Schweregrad der Erkrankung als sogenannte Zweitlinientherapie indiziert.
Die Unterkieferprotrusionsschiene muss von einem Schlafmediziner, Lungenfacharzt oder Haus-/HNO-Arzt mit Weiterbildung verordnet werden. Dieser übernimmt die vorherige Diagnostik. Mit der Überweisung suchen die Patienten einen Zahnarzt auf, der zur Herstellung einer UKPS ausgebildet ist. Die Deutsche Gesellschaft für zahnärztliche Schlafmedizin führt ein Register über ausgebildete Zahnärzte.
Der Zahnarzt benötigt auch die Auswertung des überweisenden Arztes. Er tätigt daraufhin weitere Diagnostik die Zähne und das Kausystem betreffend. In vielen Fällen muss auch ein Röntgenbild erstellt werden, um zahntragenden Knochen zu beurteilen. Es wird eine Bissrelationsbestimmung durchgeführt, um die genaue Lage des Unterkiefers zum Oberkiefer diagnostizieren zu können und eine Protrusionsregistrierung, denn der Zahnarzt legt die initiale Protrusion, also den Vorschub des Unterkiefers fest. Dann werden Abdrücke, im Optimalfall optische Abdrücke mit einem Intraoralscanner, von beiden Kiefern genommen. Optische Abdrücke haben den Vorteil, dass der Patient keine Abformmasse im Mund hat. Die Zähne werden mit einer Kamera „gefilmt“ und es kann eine sehr genaues 3D-Modell der Kiefer erstellt werden. Dieses kann dann über eine passwortgeschützte Cloud anonymisiert in ein Labor der Wahl geschickt werden. Es müssen keine Abformungen von Boten abgeholt werden, keine Modelle erstellt werden etc. Dies sind alles Dinge, bei denen Ungenauigkeiten entstehen können und die Umwelt unnütz belastet wird. Die 3D-Scans gehen dann in ein für UKPS spezialisiertes Labor, um hier eine für den Patienten individuell angepasste Schiene herzustellen. Diese Schiene wird in die Zahnarztpraxis geliefert. Hier bekommt der Patient die Schiene von seinem behandelnden auf Unterkieferprotrusionsschiene spezialisiertem Zahnarzt eingesetzt, angepasst, erklärt und eingestellt. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass der Patient ein sicheres Medizinprodukt erhält, dass für ihn individualisiert und auf seine Bedürfnisse angepasst ist.
Die Schienen können nach Einsetzen und einer Eingewöhnungsphase von ca 4-6 Wochen weiter verstellt werden. Dies nennt man auch titrieren. Das bedeutet, dass nach der Anpassung der Vorschub des Unterkiefers je nach Bedarf und Symptomatik eingestellt werden kann und immer wieder angepasst werden kann. Die Anpassung der UKPS soll mit zahnmedzinischer Expertise erfolgen.
Die erste Therapiekontrolle geschieht durch den Patienten selbst, ganz subjektiv. Er beschreibt im besten Fall eine deutliche Besserung der Tagesmüdigkeit, einen besseren und tieferen Schlaf, keine Aufschreckmomente mehr nachts; er fühlt sich fitter. Der Partner kann berichten, ob das Schnarchgeräusch weniger geworden ist oder sogar ganz aufgehört hat. Ohne Partner können dafür spezialisierte Apps diese Aufgabe übernehmen. Mit ihrer Hilfe nimmt man seine Geräusche nachts auf und kann eine sehr genaue Selbstkontrolle durchführen.
Die abschließende Therapiekontrolle der Körperfunktionen übernimmt dann der überweisende Arzt. Er kann eine Nacht im Schlaflabor anordnen für eine Polysomnographie oder eine ambulante 6-Kanal-Polygraphie verordnen. Hier werden die Ausgangswerte überprüft und eine Therapieerfolg festgestellt. Sollten die Werte noch nicht ganz zufriedenstellend sein, kann der Zahnarzt die Einstellung der Schiene verändern, um so zu einer Verbesserung zu gelangen.
In einem funktionierenden System: der Patient trägt die erfolgreich therapierende Schien eregelmäßig, sollte mindestens einmal jährliche eine zahnärztliche Kontrolle der Schiene erfolgen.